21.Jahrhundert - Steffen Kersken

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21.Jahrhundert

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21. Jahrhundert

Ich saß letzten Mittwoch im Dachsbau in Krefeld, wo mich jemand so von der Seite, über die Theke, nebenbei, quasi von oben herab ansprach.
Sie immer mit ihrer Gutmensch Welt, Herr Kersken, also Ihre Texte sind wirklich toll, aber Sie sind doch fernab jeglicher Realität, nicht wahr! Wir haben das 21.Jahrhundert, Herr Kersken, da geht es voran, digitale Welt, Fortschritt, Metamorphose und es geht um Wachstum, Herr Kersken. Wachstum! Da bleiben die Schwachen halt mal zurück, da geht es nicht immer um Rücksicht oder sowat! Denen geht et doch auch gut bei uns, die Schwächeren werden schon nicht tot umfallen, nicht wahr!
Sie immer mit Ihrer Toleranz und Gutmütigkeit, als wenn das noch modern wäre, der Mensch wächst, Herr Kersken, es geht um Wandel und nicht um Gefühlsduselei oder sowat!
Da geht es um goldene Herzen, nicht um große Herzen oder sowat!
Plötzlich quasselt mich eine so über den Tisch an, quasi von oben herab, aber von der linken Seit, so quer rüber!
Herr Kersken, Ihre Texte regen wirklich zum Nachdenken an, aber mal ehrlich, wir haben das 21.Jahrhundert, da können wir nicht auf alle Menschen Rücksicht nehmen!
Türe, Tore und Grenzen auf, alles rein wat von zu Hause flüchtet, dat wäre ja wie Sodom und Gomorrha, nicht wahr. Aber Deutschland ist im 21.Jahrhundert, Herr Kersken, da können wir doch nicht auf Syrien oder Pakistan und all sowat Rücksicht nehmen. Deutschland wächst, Entwicklung, Modernität, Technologie, Export und Weltmarktführer! Sie Gutmensch Sie, wollen die ganze Welt retten, Sie Weltverbesserer Sie, Sie Großherz, Sie Liebes-Pionier und rührseliges Ei!
Und dann quakt mich der wird hinterm
Tresen an, so von schräg, über die Schulter weg, von oben herab.
Sie haben wirklich schöne Gedanken und die tollen Anekdoten Her Kersken, ich höre Ihnen so gerne zu, aber Sie immer mit Ihrer Toleranz, auf Augenhöhe, verzeihen, Miteinander und Menschlichkeit und sowat!
Wie soll dat gehen, Herr Kersken? Wir sind im 21.Jahrhundert, nicht wahr, da ist Arbeit mehr als arbeiten, dat is Workplace, Arbeit 4.0, Paradigmen Wechsel, Generationen Tausch, digitale Transformation sch ich nur! Wir müssen Schritt halten, im Rhythmus der globalisierten Welt mit marschieren, dat is Future-Business, Work-Revolution und der Beginn der agilen Office-Ära! Sie immer mit Ihrer Fantasie und Gefasel von Nächstenliebe. Sie immer mit Ihrer gedichteten Rücksicht und beschriebenen Menschlichkeit, da können wir uns doch nix für kaufen. Dat is dat 21.Jahrundert, Herr Kersken, wachen Sie auf, da steht der Mensch halt mal hinten an, denn Deutschland wächst, wir wachsen, es geht voran, nach oben, verstehen Sie das nicht? Sie immer mit Ihrer kindlichen Fantasie, ein Erwachsener in Kinderschuhen, ein verträumter Anti-Realist sind sie doch,dat ist das 21.Jahrhundert, Sie Kindheitsverfolger Sie!
Und dann war Stille im 21.Jahruhndert. Ruhe im Dachsbau. Kein Wort, es war alles gesagt.
Also wenn dass, das 21.Jahrhundert ist, dann Prost Mahlzeit!
Ich bin vielleicht ein Träumer, aber möchte kein Menschenhasser werden,
Ich bin vielleicht immer noch ein Kind, tief in mir verträumt, aber ich finde das immer noch besser, als rücksichtslos zu marschieren, auf die Welt zu blicken, durch die digitale Welt hindurch auf diese schöne Welt, nur mit Gleiches-Gleichen zu verurteilen, links liegen zu lassen, andere Menschen abzuwerten,  und auszuschließen. Nein das bin nicht.
Ich trage vielleicht Kinderschuhe, ja, und bin vielleicht Gefühlsduselig, aber ich möchte nicht im Rhythmus des Exportes und Transformation gehen, meinen Blick über das Übel und das Unrecht dieser Welt hinweg werfen, ich bin nicht nur Deutscher oder Deutschland, nein, ich bin auch ein Mensch. Ein verträumter Mensch, ja, aber nicht digitalisiert, nicht im Flow der Revolution, ich bin das Gegenteil von Future. Business, einfach nur ein Mensch mit Herz und einer Seele. Ich brauche gar nicht so viel. Ich brauch all das nicht, wovon Sie reden. Ich brauche viel weniger zum glücklich sein und ich möchte das teilen.
Das klingt vielleicht abseitig, naiv und etwas weltfremd, aber es ist mir sehr wertvoll, gibt mir viel. Das Leben kann so einfach sein, wenn man nicht marschiert oder sich stetig entwickelt, von Paradigma zu Paradigma springt, in der Metamorphose schwebt oder sich immer neu erfinden möchte. Das Leben kann glücklich sein, wenn ich das Handy mal beiseite lege und mir den Horizont anschaue. Wenn ich mich irgendwo an den schönen Niederrhein setze, da wo nichts ist, nur die Schönheit der Natur, ein paar Weiden und vielleicht der Rhein. Dann geht es mir gut.
Das reicht mir völlig. Aber dafür muss ich keine Menschen links liegen lassen, mich durchsetzen und verletzen, mich entwickeln, hetzen und eilen und wachsen. Dann bin ich Ich-Selbst. Das reicht mir völlig. Tut mir gut. Das gibt mir Kraft, um für andere da zu sein, tolerant zu sein, Rücksicht zu nehmen und Hände zu reichen. Offen zu sein, nicht offen für die Workplace-Revolution, nein, offen für die Menschlichkeit. Offen für andere. Für die Sorgen anderer. Das klingt vielleicht naiv, macht mich aber glücklich. Und das reicht mir völlig. Ich bin nicht auf der Suche, immer in Bewegung, nein, ich bin glücklich.
Wenn das Ihr 21.Jahrhundert ist, dann bin ich lieber ein alter Socken, ein ausgeleiertes Gummiband, etwas verstaubt, hinterm Mond oder ausgelutscht. Ja, nennen Sie mich ausgelutscht.
Wenn das Ihr 21.Jahrhundert ist, dann bin ich lieber ein abgesessenes Sofa, ein verrosteter Nagel, Schnee von gestern, etwas abgetakelt. Ja, nennen Sie mich abgetakelt.
Ich bin lieber nett, als modern.
Ich bin lieber menschlich, als in.
Ich bin lieber gutherzig, als reich.
Ich bin lieber Mensch, als Work-Place.
Wenn das Ihr 21.Jahrhundert sein sollte, dann bleibe ich doch lieber ein Erwachsender in Kinderschuhen, etwas ausgelutscht.
In diesem Sinne, ich raste weiter und verbleibe mit besten Wünschen: Gute Besserung!

Bilder im Buch: Petra Klein


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